COP26 in Glasgow: Neben dem Politik-Gipfel gab es noch den wissenschaftlichen, den finanziellen und den NGO-Gipfel, die alle mindestens genauso wichtig sind, weil auch dort Allianzen geschmiedet werden.
„Wenn sich Banken einmal mit Klimaschützerinnen an einen Tisch setzen, ist das ein sehr positives Signal, das von Glasgow ausgeht.“
Gastbeitrag von Aaron Sterniczky (Politikwissenschafter, Klimaforscher), der für den Oxforder Thinktank „The Green Economics Institute“ am COP26 in Glasgow teilnahm. |
Glasgow zusammenfassend, abseits dessen was allgemein berichtet wird, wären aus gegenwärtiger Einschätzung heraus fünf zentrale Punkte:
1.) Ansätze in der Klimapolitik lassen sich gemeinhin zwischen Mitigation und Adaption unterscheiden. Mitigation meint jene Maßnahmen, die geeignet erscheinen, den CO2 Ausstoß zu reduzieren, wo immer er anfällt. Adaption hingegen bezeichnet jene Aktivität, die notwendig sind, um unsere sozialen Praktiken und Lebensräume an einen ökologisch verändernden Planenten anzupassen. Oftmals wurde bei Diskussionen und Verhandlungen in den letzten Jahren Mitigation weit mehr Bedeutung als Adaption zugemessen. Das ändert sich gerade und spricht für einen Bewusstseinswandel. Es wächst die Akzeptanz, dass unsere Umwelt nunmehr radikal anders sein wird. Wir werden uns als Weltgesellschaft gegenseitig darin unterstützen, wie mit diesen Veränderungen umzugehen. Damit wird Klimawandel von einem meteorologischen Phänomen zum Synonym für ein Zeitalter, in das wir gerade zwangsläufig gemeinsam eintreten.
2.) Über 100 Staaten haben sich darauf geeignet, den Ausstoß von Methan markant zu reduzieren. Deshalb entscheidend, weil kurz- und mittelfristig Methan einen stärkeren Treiber der Erderwärmung darstellt als CO2. In letzter Konsequenz wird das vor allem für die Art und Weise wie wir Landwirtschaft betreiben, signifikante Auswirkungen nach sich ziehen. Da bleibt kein Stein auf dem anderen.
3.) Die ideelle Aufgeschlossenheit und institutionelle Offenheit, mit der hier der grundlegende Umbau wesentlicher Verfahren des modernen Finanzsystems diskutiert und skizziert werden, um der Klimakrise zu begegnen, spricht dafür, dass von der Veränderung ebenso erfasst wird, was uns bisher als makroökonomisch selbstverständlich galt. Undenkbar noch bei den COPs der letzten Jahre.
4.) Die große Ungewisse und das Fragezeichen, um jedes weitere Szenario zu präzisieren, bildet der Fortbestand des westantarktischen Eisschilds. Im westantarktische Eisschild finden sich ozeanische Wassermassen als Eis gebunden, die einem Anstieg des Meeresspiegels um 5 Metern entsprechen, wenn geschmolzen. Die Region ist geologisch sehr fragil und damit bezüglich klimatischer Veränderungen sehr sensibel. Mit Sicherheit lässt sich gegenwärtig sagen: Ein Temperaturanstieg um rund 3 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts, der aufgrund der gegenwärtigen Klimapolitik absehbar wäre, würde zum irreversiblen Verlust dieser Eismasse führen, faktisch die heutigen Küstenregionen weitgehend unbewohnbar machen, weil vom Meer geschluckt. Je länger unsere Abhängigkeit von fossilen Energien fortdauert, umso radikaler zeichnen wir die Weltkarte in sehr konkreter Form tragisch neu.
5.) Internationale Klimapolitik darf nicht als jährliches Ereignis gedacht, sondern als Prozess verstanden werden. Insofern folgt auf den COP26 in Glasgow dieses Jahr der COP27 in Sharm-el-Sheikh im nächsten. Glasgow aber markiert eine Trendwende aus den oben angeführten Gründen und das Urteil über Erfolg oder Versagen der Verhandlungen kann ja nur dann geschehen, wenn klar ist, an welchen Kriterien sich Erfolg misst. Werden die 1,5 Grad als Maßstab genommen, dann reichen die Beschlüsse nicht. Wird aber die Prozessdimension betrachtet und der Vergleich gemäß meines Eindrucks und der gemachten Erfahrungen zu den letzten COPs in Katowice oder Madrid definiert, dann ist ein andere Dynamik hin zu mehr Progressivität feststellbar. Diesen Trend gilt es nun zu beschleunigen, eben auf das 1,5 Grad Ziel hin zu fixieren. Da wir in einer paradoxen Welt leben und deshalb erlaubt uns die Fähigkeit in Paradoxien zu denken, die Wirklichkeit zu erfassen: Wir haben möglicherweise die beste und ambitioniertes Klimapolitik, die wir als Weltgemeinschaft je hatten, und gleichzeitig ist die Sache unzureichend. Beides ist zeitgleich anzuerkennen.